Getränke Regel Nr. 1: Berliner trinken nie Berliner Weiße


Ein lauer Frühlings- fast schon Sommerabend. Eine Menge Menschen frequentieren die Berliner Lokale, ab und zu verstopft ein 60-köpfiger Pub-Crawl-Mob voller Amis mit Drinks in Plastikbechern die ohnehin schon gut gefüllten Straßen.

Wo denen wohl Einlass gewährt wird?

Hier bestimmt nicht – zum Glück!

Jos Lars und Maya sitzen im Außenbereich des Keyser Soze und genießen die Szenerie sowie gut temperierte alkoholische Getränke.

Rund um uns beginnt eine Bestellung zum Running-Gag zu avancieren. Die Berliner Weiße – besonders in grün- nimmt der sonst sehr zuvorkommende Kellner nur unter Protest auf. Auffällig wird das Ganze, als eine Dame ihren Wunsch mit Extras garniert:

Eine Berliner Weiße bitte, aber mit wenig Sirup und…

Die detaillierten Anweisungen werden prompt unterbrochen mit:

Möchtest du nicht vielleicht lieber ein Alster?

Worauf die Dame – wie auch Jos Lars und ich – ein wenig irritiert guckt und auf ihre Bestellung besteht. So etwas muss natürlich schiefgehen. Die Weiße kommt zwar, jedoch in der falschen Farbe und – wer hätte das gedacht – mit zuviel Sirup. Ob der zweite Versuch besser gelungen ist, lässt sich nicht genau sagen, vermutlich aber nicht. Denn die Frau und ihr Malzbier trinkender Begleiter blieben nicht auf einen weiteren Drink.

Kaum eine halbe Stunde später nehmen zwei Mädchen Anfang 20 die frei gewordenen Plätze ein. Bestimmt zwei Studentinnen, die eine gerade hergezogen, die andere aus der Heimat zu Besuch und bestellen… Berliner Weiße!

Wollt ihr nicht lieber ein Alster?

kontert der Kellner ein weiteres Mal mit dem bestimmten Charme eines Eingesessenen und bringt mit seiner trockenen Replik den gesamten Tisch zum Kichern. Auf maynen Zwischenruf, das klinge doch zu sehr nach Hamburg, betet er das 1. Getränke-Gebot für eine authentische Hauptstadt-Bestellung vor:

Berliner trinken nie Berliner

Die Mädels sind ziemlich piquiert und möchten sich von dem Mann nicht in ihre Trinkgewohnheiten reinquatschen lassen, sie wollen jetzt eine Weiße, Basta.

Jos Lars (der selbst früher als Servicekraft gejobbt hat) feiert den Kellner:

Der hat Persönlichkeit, der sagt was Sache ist, er ist direkt aber nett – man sollte auf diesen Kellner hören.

Fluggs haben wir das neue Konzept für unsere Traumbar, eine in der man nicht die Qual der Getränkewahl hat. Man bestellt nur alkoholisch oder nicht und begibt sich dann völlig in die Hände des Barkeepers, der serviert einem dann nach Gesicht den passenden Drink, aber bestimmt keine Berliner Weiße.

Dennoch trösten wir die Mädels, die sich verarscht vorkommen und sagen ihnen, dass sie heute nicht die ersten sind, denen man die Weiße nicht so recht gönnen mochte.

Wie richtig Jos Lars mit der Lobpreisung der Kellner-Empfehlung liegt, erleben wir bei Lieferung der widerwillig aufgenommenen Bestellung. Die „Grüne Weiße“ kommt mit Eiswürfeln und mundet offensichtlich gar nicht.

Für die einen Objekt der Begierde, für die anderen eine Ärgernis

Für die einen Objekt der Begierde, für die anderen eine Ärgernis

Eiswürfel im Bier, was für ein Faux-Pas! Aber zumindest kommen wir nun langsam hinter das Geheimnis der forschen Alster-Empfehlung. Da ist wohl irgendwo die Berliner Weiße-Kühlkette unterbrochen.

Letztendlich geschieht es den Unbelehrbaren aber nur Recht, ist unser abschließendes Urteil. So ein süßes Gebräu bestellt man einfach nicht und noch viel weniger, wenn Personen mit Insiderwissen vehement davon abraten.

Das Mädchen, das noch eben euphorisch die Weiße verteidigt und mir sogar zum Probieren angeboten hat, resigniert schließlich und will einen Ersatz –

Jetzt vielleicht ein Alster?

feixt unser neuer Held, der Kellner, aber darauf kann und will die Gedemütigte nun keineswegs eingehen. Sie nimmt einen Espresso macchiato, den sie ohne Beanstandung trinkt, jedoch nicht ohne den Kellner in seiner Zigarettenpause mit gut gemeinten Schnell-Kühl-Tipps zu nerven. Der hat für heute genug von den Weiße-Bestellungen und will gar nichts hören.

Ach – Sag bloß?

bringt er das arme Landei mit vernichtender Ironie und all seiner Verachtung für die Touri-Bestellung endlich zum Schweigen.

So geht die Nacht glücklich, angeheitert und ohne weitere Berliner Weiße zu Ende.

3 Antworten

  1. Die Meinung des Kellners ist aber nicht Berlin-exklusiv.
    Eine Berliner Kneipe im Millionendorf verkauft seit 30 Jahren unverdrossen Berliner Weiße…

  2. Danke lieber Stadtneurotiker, aber fern von der Heimat ist das doch was ganz anderes, da überfällt den Exilanten ja gerne mal die Nostalgie und der Lokalpatriotismus wirkt sich viel heftiger und kulinarischer aus als zu Hause …

  3. Da hast Du sicher recht.

    Oder man outet sich, so wie ich vor 20 Jahren anlässlich meines ersten Berlinbesuchs, gnadenlos als Tourist…

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