Spanferkel à la Halal


Chloe befindet sich auf ihrer großen Haddsch von Spree gen See. Bevor ich mich jedoch nach sechsmonatiger Abstinenz direkt nach Oberschwaben begebe, akklimatisiere ich mich noch ein paar Tage bei meinen Eltern in Schwaben. Die „physiologische Anpassung“ läuft bei meinen Eltern unter dem Begriff „Mästung“. Als mein Vater mich sah, forderte er meine Schwester doch tatsächlich entsetzt auf:

Besorg aus Deinem Büro eine Paketschnur. Wir müssen Deine Schwester an einen Küchenstuhl festbinden und erstmal ordentlich mit Nahrung vollstopfen!

Wenigstens bei diesem latenten Bulimiker-Vorwurf habe ich inzwischen gelernt, einfach wegzuhören. Denn eine Frau im Kulturkreis meiner Eltern – bei der Massenkinderhaltung einer Großfamilie fällt nicht viel Fleisch ab! – ist erst dann eine Frau, wenn sie kaum mehr durch den Türrahmen passt. Während ich meinem Über-Ex Torben bei einem Body Mass Index von 19,4 zu fett war, kann ich für meine Eltern nie fett genug sein. Das nenne ich unabdingbare Liebe. Wer braucht da schon einen Mann mit einer narzisstischen Störung?

Kaum hatte ich meine Stiefel ausgezogen, schmetterte mir meine Mutter einen Teller nach dem anderen auf den Tisch. Neben all dem Fleisch – Chloe muss kurz anmerken, dass sie immer ein Faible für Armeleuteessen hatte – erspähte ich lüstern die Perle unter den Pitas: Brennnessel!!!

Brennnesseln sind mir lieber als Kaviar !

Meine Eltern hatten als Flughafen-Anrainer die Kerosin freie Zeit genutzt und extra für mich auf dem Land wild wachsende Brennnesseln gesammelt. Ha! Das hat noch keine Öko-Imbissstube im Prenzlauer Berg gesehen. Meine Eltern sind retro-öko in der Diaspora! Erquickt ob meines mampfenden Anblicks fragten sie mich jedoch, was ich zu meinem großen Fest am See den Gästen eigentlich servieren werde… und ich lief rot an und gab zu: Spanferkel!

Nun muss ich etwas ausholen: Chloe reist an den See, um ihren 30. Geburtstag nachzufeiern (obwohl sie ja schon längst 30ig ist, wie treue SpreeSee-Leser wissen). Irgendwann fällt es auf, wenn man immer 29 wird. Daher komme ich dieses Jahr nicht um das Fest zum Sturz der 2 zugunsten der 3 herum. Meine Freunde vor Ort sind so herzzerreißend und helfen mir mit der Organisation. Natürlich wird es ein Grillfest am Ufer des Schwabenmeers geben. In meiner Abwesenheit diskutierten Tim und Kino-Woody über die extravagante Showeinlage: ein Spanferkel!

Das Schwein wird von Tim extra in Dornbirn (Österreich) abgeholt!

Ich finde die Idee ja auch toll. Aber meine muslimisch angehauchte Erziehung lässt mich beim Wort „Schwein“ immer noch etwas zusammenzucken, zumal meine Mutter nicht einmal Marzipanschweine im Haushalt duldet!

Chloe überlegte noch, ob sie Tim nicht doch ein Lamm am Spieß vorschlagen sollte. Aber als sie sich an den Geschmack etlicher albanischer Hochzeiten im Grünen erinnern musste, konnte sie das kulinarisch nicht vertreten. Auch hätte mir Maya sicherlich heftig auf den Fuß getreten. Lamm – das geht nicht!

Chloe am Telefon: „Hm… Ich bin ja der Profi in Doppelmoral. Wir können einfach so tun, als wäre das kein Schwein. Wir stellen ein Schild auf, auf dem steht: Frischer Fisch vom Bodensee. Keiner darf bloß das Wort Schwein in den Mund nehmen!“

Tim besänftigend: „Für Dich mach ich das Schwein auch Halal, Chloe!“

Heute griff Tim die Idee mit dem Schild auf und ließ mir auf Facebook diesen Text als Aufdruck zukommen.

shkoni në ferr! kjo gic është hallall

Ich stand gerade am Gepäckband und bin zusammengebrochen vor Lachen. Die restlichen Passagiere schüttelten nur den Kopf über diese iPhone-Göre in Leggins. Ich weiß echt nicht wie Tim, das Sprachwunder, das immer hinbekommt. Krallt er sich einen albanischen Staplerfahrer zum Übersetzen? Der Kerl ist so beflissen. Dafür werde ich ihn am See erstmal abknutschen.

Mit Kino-Woody hatte ich diese Woche auch schon über das Spanferkel diskutiert. Da wog es plötzlich 25 Kilo, während es einen Tag zuvor laut Tims Aussage 20 Kilo auf den Rippen hatte. Das kann doch nicht mit rechten Dingen zugehen. Entweder sind die Jungs Meister der Schweinüberschätzung oder das Schwein wird von einem albanischen Metzger gemästet.

Jedenfalls freue ich mich jetzt schon auf mein Ziel. Muckie wird mir bestimmt auch einen Kaaba zum Frühstück machen. Ich liebe Wallfahrten!

4 Antworten

  1. Deine Eltern haben’s ja noch gut – die werden sich das Schwein nicht in echt ansehen müssen!

  2. Warum hätte ich dir auf den Fuß getreten? Ich esse wahnsinnig gerne Lamm! Auf den Anblick des Schweinchens bin ich allerdings auch schon gespannt und Charly wetzt bereits die Messer. Halal, vegetarisch oder gleich vegan – als fleischfressende Atheistin ist man am Grill doch klar im Vorteil!

  3. […] : "http%3A%2F%2Fspreesee.com%2F2010%2F05%2F10%2Fpfeiff-nicht-fi-fi%2F" } Während meiner Haddsch an den See kam ich mal wieder dazu, mir stundenlang mit meinen Eltern albanisches Fernsehen reinzuziehen. Am […]

  4. […] "permalink" : "http%3A%2F%2Fspreesee.com%2F2010%2F06%2F11%2Fessen-fur-1-euro%2F" } Seit Chloe die Brennnesselpide ihrer Mutter gebloggt hat, liegt ihr Maya in den Ohren: „Ich will das auch. Ich will das auch. Du […]

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