Tatort aus Bremen, „Königskinder“, Sonntag 7.2.2010 um 20.15 Uhr, 3-4
Inga Lürsen (Sabine Postel) – die bärbeißige Bremer Kommissarin – wird mal wieder von ihrer Tochter vor den Kopf gestoßen und dann fällt sie auch noch auf selbigen, weil sie ganz in Rage – wie immer eben – die Treppe runterstürzt. Leider hat dies furchtbare Auswirkungen! Zwar ist sie auf den härtesten Teil ihres ausgesprochenen Dickschädels gefallen und somit der Querschnittslähmung von der Schippe gesprungen, doch diese quasi Nah-Tod-Erfahrung macht die sonst so toughe Granddame ganz weich in der Birne. Sie möchte die ach so kurze Lebenszeit nicht mehr in Wut und Aufregung verbringen und schwebt deshalb fortan als personifizierte Sanftmut durch die Ermittlungen. Everything ZEN- Inga genießt ausgiebig ihre Frühstücksorange, lässt verträumt Sand durch die Finger laufen und grinst dabei beseelt wie Buddha persönlich.
HILFE! Ich will meine Inga zurück, die mit dem Zorn der Gerechten die Übeltäter jagt und voller Leidenschaft ausflippt, wenn es darum geht die Missstände dieser Welt anzuprangern. Stattdessen muss ich mir jetzt auch noch mit ansehen wie sie dem Süßholzgeraspel eines Arztes nachgibt, der sogar zugibt, dass er eine ganz alte Masche aus Studentenzeiten anwendet – „ich bin noch nicht tot“ sagt Inga und tauscht Säfte mit dem attraktiven Medikus. Na gut, denke ich mir, natürlich kann die Inga nicht immer nur mürrisch von einem Tatort zum anderen gehen und ein bisschen Lebenslust hat jeder verdient!
Also konzentriere ich mich nur mit einem Auge auf den Krimi, um den Würgreiz zu unterdrücken, der mich wegen der weichgespülten Inga überfällt, und lasse mich prompt von den falsch gelegten Fährten hinters Licht führen. Ich dachte doch tatsächlich, diese verzehrt und verbittert dreinblickende Chefsekräterin Edith (furchtbar, unheimlich, beängstigend: die großartige Bibiana Beglau) war die Strippenzieherin hinter den Morden – falsch getippt!
Vor lauter Ärger über die Lovestory der Lürsen ist mir doch beinahe entgangen, was für ein ausgeklügelter Fall hier ausgeheckt wurde. Dabei wurde der Zuschauer nämlich ordentlich reingelegt: In der Anfangssequenz sahen wir einen Einbruch und den Mord an der Unternehmergattin Sonja Mesenburg vor den Augen ihres Mannes durch die vermummten Räuber. Der Bruder des Opfers, Bernd, ist Polizist – ein alter Kumpel von Lürsens Kollege Stedefreund – und macht sich wie die Bremer Ermittler auf die Suche nach dem Mörder. Dabei kommt die Story des verkorksten Lebensweges der Stedefreundschen Ex-Clique zu Tage. Stedefreund hatte nämlich was mit der emordeten Sonja, bis die ihn fallen ließ, weil sie lieber reich heiraten wollte und zwar den Mesenburg, eine Idee, die ihr viel Pech bringen sollte. Edith, die Ex von Sonjas Bruder, wurde Angestellte der Fast-Schwägerin und glühende Verehrerin des Mesenburg, der von Sonja wegen des Geldes geehelicht und ansonsten verachtet wurde. Bruder Bernd blieb Single und der festen Überzeugung, Mesenburg sei nicht gut genug für seine Schwester. Alle gemeinsam nahmen dem Stedefreund übel, dass er den tollen Freundeskreis im Stich gelassen hatte und bei seinem Auszug in die große weite Welt vor ihnen von Bremerhaven bis nach Bremen geflüchtet war. Aääähh – ja.
Es gibt ein hin und her, warum ist dieser Einbruch brutaler gewesen als die anderen der Serie? Wer hatte was davon, reicht eine Entlassung als Motiv dafür und wieso vertickt der Penner, der sicher nicht zu Einbruch und Mord fähig war die Beute? Was ist bloß mit dem Bruder des Opfers los, der so grobschlächtig die Ermittlungen stört?
Ein selbstloser Lockvogel Einsatz der verliebten Inga bringt die überraschende Wahrheit zutage: Der Mörder war der Ehemann. Leider konnte man darauf schwer kommen, denn auf eine Schilderung seines Psychogramms wurde verzichtet, wie gesagt, die bittere Edith lief die ganze Zeit mit einem solchen Hass im Gesicht herum und hatte Texte drauf, die sie ganz klar als Mörderin auszeichnen könnten.
Spannend an der ganzen Sache ist die Auflösung: Täter lügen und das können Fernsehbilder auch. Die Überfall-Szene die eingangs zu sehen war, entsprach nicht dem wirklichen Tathergang, sondern war nur die Version des mörderischen Ehemanns, der hatte die Räuber angeheuert um ihnen den Mord, den er genüsslich selbst beging, in die Schuhe zu schieben. Da denkt man natürlich nicht dran, als Zuschauer, der gewöhnt ist mehr zu wissen als die handelnden Personen – wirklich ein schicker Kniff! Das war aber auch fast das einzig Gute an diesem Tatort.
Ganz dramatisch wirds zum Schluss, denn die verliebte Inga und der um die Ex trauernde Stedefreund haben den rachsüchtigen Bruder Bernd nicht im Griff und in ihrer Nachsicht völlig übersehen, dass der die Ermittlungen sabotierte, um den Mörder seiner Schwester selbst und endgültig zu richten.
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